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Mitte Juni stand ein Heimspiel der besonderen Art an. Zusammen mit Lissy und Steffi hatte ich mich für den 27. Steinfurter Altstadt-Abendlauf angemeldet. Diesen Lauf hatte ich zuletzt als Jugendlicher bestritten und bin damals (zu meinem großen Entsetzen) von meinem Hausarzt überholt worden. Der gute Mann war damals in den 40ern… Leider finde ich meine Zeit nicht wieder, seitdem ChampionChip (vor einem Jahrzehnt vermutlich) die Website aktualisiert hat, sonst hätte ich mich mit damals vergleichen können.
Für mich war es der erste 10km-Lauf seit weit über zehn Jahren. Generell laufe ich ja lieber langsamer und dafür länger und die 10km-Distanz finde ich besonders schwierig, da man nicht wirklich durch”heizen” kann. Bei einem 5K läuft man den ersten Kilometer auf Endorphinen, den letzten bekommt man dann auch noch hin, weil das ja keine richtige Distanz ist. Somit hat man maximal drei Kilometer, die einem richtig wehtun können (wenn man sich an eine neue Bestzeit wagt) – aber eine knappe Viertelstunde die Zähne zusammenbeißen ist nicht zu schwierig.
Für Steffi war dieser Lauf ihr erster Wettkampf überhaupt und alleine darum schon etwas ganz besonderes. Lissy hatte sich bereit erklärt, Steffi die gesamte Zeit über zu begleiten und zu unterstützen. Wir waren schon recht früh am Start, damit wir in Ruhe unsere Startnummern abholen, die Strecke betrachten und uns aufwärmen konnten. Leider ist der Streckenplan noch immer nicht online zu finden und somit mussten wir uns mit der aufgestellten Tafel begnügen. Ich schaute kurz auf den Plan und fasste innerlich zusammen „Alles klar: drei kleine Runden und zwei große durch das Bagno“. Diese Überlegung sollte mein Verhängnis werden.
Kurz vor dem Start machte eine Bekannte von Steffi noch eine Foto von uns dann dann ordneten wir uns ein. Ich sortierte mich direkt an der Startlinie ein – auch das hatte ich noch nie zuvor gemacht, war ich doch bei den Halbmarathons bisher eher im (hinteren) Mittelfeld gestartet. Nach dem Startschuss lief ist etwas unsicher los, denn ich hatte keine Marschtabelle dabei (es gab nicht für jeden KM eine Markierung) und ich wollte nicht ständig auf das iPhone starren. Für meine „Wunschzeit“ musste ich einen Pace von unter 4:12 laufen – das hatte ich bisher im Training immer nur auf kürzeren Distanzen geschafft. Ich überholte anfangs etliche Schüler der Wirtschaftsschule, die zahlreich angetreten waren und heftete mich an einen Läufer, der ein schnelles, aber vermeintlich für mich machbares Tempo lief. Gestartet wurde in der Wasserstraße und nach etwas 200 Metern ging es dann nach rechts in die Steinstraße. Es lief ziemlich gut und es tat gut den Kalkwall bergab laufen zu können. Ich merkte jedoch schnell, dass mein „Zugläufer“ doch um einiges schneller lief, als meine Lunge hergab und so ließ ich ihn ziehen. Nach der ersten kleinen Runde folgte eine zweite und ich überholte noch ein paar Läufer.
Nach 1,4km ging es dann zum ersten Mal am Markt vorbei und ich genoss es sehr, die jubelnden Menschen zu sehen und am alten Rathaus vorbei zu laufen – dem Gebäude, in dem ich standesamtlich geheiratet habe. Irgendwie hatte ich die ganze Zeit einen trockenen Mund (Aufregung?) und nahm dankbar einen Becher Wasser an, auch wenn ich eigentlich nicht vor hatte auf dieser Distanz etwas zu trinken und mir die Zeit dafür sparen wollte… Gegenüber vom Schloss (auf der Burgstraße) sah ich dann auch Zita und sie jubelte mir begeistert zu und lies die bunten Puschel kreisen (inspiriert übrigens von Frau Schmitt). Auch Florian, Monika und meine Mutter waren vor Ort und feuerten mich an, bzw. machten Fotos.
Im Bagno angekommen, etwa nach dem zweiten Kilometer, merkte ich, dass mir das Tempo (Pace unter 4:00) heute sehr zu schaffen machte. Ich hörte, wie sich von hinten schnellere Läufer näherten und versuchte daher, trotz erster Ermüdungserscheinungen das Tempo zu halten. Die Strecke direkt nach dem Bagno (Blocktor) Richtung Stadtmitte war die schlimmste Stelle des Laufs, denn hier wehte ein ständiger Gegenwind. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich es ja fast geschafft hatte und „jetzt noch noch einmal die große Runde“ laufen musste. Also biss ich die Zähne zusammen und ließ die Verfolger hinter mir. Nach der Kirchstraße machte die Strecke einen Schlenker nach links über die „An der hohen Schule“ und nun ging es zum ersten Mal an der Elefanten-Apotheke vorbei die Steinstraße entlang.
Beim Bergablaufen am Kalkwall versuchte ich mich etwas zu erholen und bereitete mich mental auf die letzte Runde durch das Bagno vor. Ich wollte auf jeden Fall die Verfolger hinter mir lassen und meinen „Pacemaker“ vom Start zumindest in Sichtweite haben. Beim Erreichen des Marktes wurde mein Name durchgesagt – das hat mich wahnsinnig gefreut und das ist mir auch zum ersten Mal passiert. Vielleicht sollte ich öfter auf kleine Laufveranstaltungen gehen. ;)
Beim Lauf über die Burgstraße und beim Einlauf in das Bagno merkte ich, dass ich jetzt mit meinen letzten Reserven lief. Meine Atmung war weder schön noch gleichmäßig und vermutlich war mein Körperspannung nicht mehr gegeben, so dass ich eher wie ein rennender Orang-Utan gewirkt haben muss… Mit Mühe schleppte ich mich durchs Bagno und versuchte vergeblich durch den Gegenwind auf dem Blocktor nicht langsamer zu werden. Die Zuschauer auf der Kirchstraße sahen mich auch schon etwas mitleidig an und haben sich sicher gefragt, warum sich der Mann so quält. Egal – ich wußte ja, dass es nach einigen hundert Metern bergab gehen würde und dann wäre ich auch schon im Ziel.
Auf dem Kalkwall sah ich dann vor mir zwei vertraute Menschen. Mit einiger Anstrengung krächzte ich „Lissy! Steffi!“ heraus, als ich sie überrundete. Auf die Frage, wie es mir geht brachte ich nur noch ein „Schlecht!“ heraus und war auch schon vorbei. Da ich die beiden schon nicht verbal motivieren konnte, streckte ich wenigstens beide Daumen nach oben, als ich vorbei lief.
Als ich auf den Markt zuhielt wunderte ich mich zunächst, warum die Läufer vor mir nicht in die kleine Gasse liefen, an deren Ende es die T-Shirts gab. Dann fiel mein Blick auf die Uhr und ich las „28:52“. Auf einmal wurde mir klar, dass es nicht zwei Runden durch das Bagno zu laufen galt, sondern drei! Ich war gleichzeitig maßlos über meine Verpeiltheit verärgert und enttäuscht, dass ich mir meine Kraft nicht besser eingeteilt hatte. Zudem fragte ich mich, wie ich die letzte Runde überhaupt schaffen sollte, ohne einzubrechen. Die Antwort auf diese Frage erübrigte sich, denn ich hatte einfach keine Kraft mehr. Ich musste einfach langsamer werden und würde bald von den Verfolgern eingeholt und dann überholt werden. Ein letzten Mal lief ich an Zita und den anderen vorbei und versucht etwas zu Lächeln und nicht völlig fertig auszusehen.
Im Bagno war es aber dann so weit: ich wurde überholt und konnte selber merken, wie mein Tempo weiter abnahm. Der anschließende Gegenwind gab mir dann den Rest und ich lief stellenweise mit einem Pace von über 5:00. Ich merkte erneut, dass ein großer Teil beim Laufen Psychologie ist, denn mein Plan war nicht aufgegangen und dadurch hatte ich keine Motivation mehr, meinem Körper noch die letzten Reserven abzuverlangen. Die Erschöpfung machte sich nun völlig bemerkbar: ich fragte nun jeden Streckenposten durch Deuten in eine Richtung, ob ich denn nun links oder rechts abbiegen müsse, obwohl ich die Strecke nun eigentlich kennen sollte und ich sicherlich auch am falschen Abbiegen gehindert worden wäre. Mit letzter Kraft schleppte ich mich durch die Steinstraße und auf die Abzweigung zu, die mich nun bergab führen würde. Selbst die Schwerkraft konnte mir nicht wirklich weiterhelfen, als ich meinen erschöpften Körper weiter antrieb.
Erst als ich den Jubel am Markt hörte und die Durchsagen verstehen konnte, zog ich das Tempo etwas an. Ich schaffte es sogar noch zu Lächeln, als ich an den Zuschauern vorbeilief. Der Sprecher sagte erneut meinen Namen auf und ergänzte „Das sieht doch sehr gut aus!“ – na, so schlimm konnte es dann doch nicht gewesen sein.
Im Zielbereich nahm ich mir ein T-Shirt und trank erst einmal drei Becher Iso. Ich war ziemlich enttäuscht, weil ich mir sehr sicher war, dass ich mein Ziel von unter 42 Minuten nicht erreicht hatte. Es war ein schöner und sonniger Tag und so beschloss ich, am Ziel auf Lissy und Steffi zu warten. Als sie vorbeiliefen um ihren letzte Runde anzutreten, feuerte ich sie dieses Mal richtig an. Nach einiger Zeit kam Zita zu mir und wir beschlossen in Richtung des Starts in der Wasserstraße zu gehen, damit wir die beiden beim Zieleinlauf besser sehen konnten.
Steffi hat ihren ersten Wettkampf erfolgreich beendet und wurde (entgegen ihrer ersten Sorgen) auch nicht letzte. ;)
Am Abend waren die Ergebnisse dann online nachzulesen. Ich hatte mein Ziel tatsächlich nicht erreicht, dafür aber eine persönliche Bestzeit für die 10km-Distanz aufgestellt.
Nettozeit: 0:43:10 (rechnerischer Pace: 4:19)
Altersklasse: Platz 5 von 12
Geschlecht: Platz 17 von 117
Gesamt: Platz 18 von 154
Für ein Platz auf dem Treppchen hätte ich wesentlich schneller laufen müssen, denn der Drittplatzierte lief 0:38:33 und diese Zeit ist (derzeit) weit weg von meinen Möglichkeiten.
Was nehme ich von diesem Wettkampf mit? Ich werde mir künftig immer die Strecke ganz genau ansehen. Es ist wirklich schön in der alten Heimat zu laufen und ich kann mir gut vorstellen, gerade bei diesem Lauf künftig öfter teilzunehmen. Weiterhin wird diese Distanz nie meine Stärke werden, aber das ist schon ok – ich kann ja dennoch auch etwas Geschwindigkeit trainieren und einfach in regelmäßigen Abständen schauen, wie sich meine Zeit für die 10km entwickelt. Besonders gut werde ich diesen Wettkampf in Erinnerung halten, weil es am Abend ein tolles BBQ bei Freunden gab, die sich kurz zuvor ein Haus in Steinfurt gekauft hatten und die uns stolz ihr neues Zuhause gezeigt hatten.